Der Weg in die partnerschaftliche Verbindung der Philatelisten aus Suhl und Würzburg
von Walter Gabriel, Höchberg/Würzburg
Seit 1988 sind die Stadt Suhl in Thüringen und die Stadt Würzburg in Unterfranken im Rahmen einer Städtepartnerschaft einander verbunden; aber bis zur „Wende“ beschränkte der Eiserne Vorhang – wie seit Jahrzehnten – persönliche Kontakte weiterhin mehr oder weniger auf offizielle Anlässe. Andererseits pflegten Briefmarkensammler über all die Jahre der Teilung hinweg Brief- und Tauschfreundschaften, vermutlich umfangreicher und intensiver als dies im Bereich vieler anderer Sport- und Hobbyarten möglich und üblich war. Die Verbindungen beschränkten sich aber in der Regel auf den Briefverkehr, der noch dazu einer Kontrolle unterworfen war. Mehr war seitens der DDR-Administration offenbar nicht erwünscht.
Unter diesen Gegebenheiten erreichte mich als damaligen Vorsitzenden des Vereins für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880 e.V. glaublich im August 1989 ein Telefonanruf eines mir bis dahin unbekannten Herrn Horst Bernard (†), der mir erklärte, dass er 2. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Briefmarkensammler in Suhl sei. Er habe von Nürnberg aus, wo seine betagten Eltern wohnten, Suhls Partnerstadt Würzburg besucht und habe dabei in einem Briefmarkengeschäft meinen Namen und meine Telefonnummer erfahren. Von Würzburg aus habe er mich tagsüber leider nicht erreichen können. Herr Bernard kam auch gleich zum Anlass seines Anrufs. Im Rahmen der bestehenden Städtepartnerschaft regte er zwischen den organisierten Briefmarkensammlern in Suhl und Würzburg ebenfalls eine partnerschaftliche Verbindung an. In dieser Zielsetzung waren wir uns schnell einig. Tauschpartnerschaften wollten wir vermitteln und die Suhler Vereinsmitglieder nach Möglichkeiten auch mit gewünschter Literatur versorgen. Nach Möglichkeiten deshalb, weil unsicher war, ob Literatur aus Würzburg auch ihren Adressaten erreichen würde. Außerdem wollten wir auf offizieller Schiene gemeinsam die Realisierung „unserer“ Partnerschaft betreiben.
Der uns beide beflügelnde Optimismus wurde relativ schnell gedämpft. Es konnte ja immer noch niemand an eine näher kommende „Wende“ in der DDR denken. Als beim Bundes- und Philatelistentag vom 13. – 15.10.1989 in Mainz erstmals auch der Leiter der Sektion Philatelie im Kulturbund der DDR, Herr Peter Fischer, anwesend war, packten wir die Gelegenheit beim Schopf. Wir, das waren von unserem Würzburger Verein Günter Albeck, 2. Vorsitzender, Hermann Wütschner (†), Beisitzer, und meine Wenigkeit. Gelegentlich einer Pause sprachen wir im Foyer der Rheingoldhalle Herrn Fischer an und baten, unsere partnerschaftlichen Zielsetzungen zu den Briefmarkensammlern in Suhl wohlwollend zu unterstützen. Seine Reaktion war enttäuschend kurz: Wir sollten unser Anliegen zur weiteren Veranlassung brieflich an das Kulturamt der Stadt Würzburg richten. Er würde dann das Schreiben bekommen und dann wolle er weiter sehen. Mehr war wirklich nicht! Wir Würzburger fühlten uns wie begossene Pudel und standen plötzlich allein gelassen quasi im Freien.
Aber die politische Realität änderte sich und bekam bekanntermaßen eine unvorhersehbare Eigendynamik. Bereits zwei Monate später konnten wir – ganz ohne Ostberliner Protektion – am Wochenende 9./10.12.1989, als viele Bürger aus Suhl erstmals Würzburg besuchen konnten, gleichzeitig eine Gruppe der organisierten Suhler Briefmarkensammler begrüßen. Eine postalische Abstimmung zwischen Horst Bernard und mir ermöglichte die Organisation dieses Zusammentreffens. Nach einem ersten Rundgang durch die vorweihnachtlich gestimmte Altstadt durften wir die Herrn Horst Bernard, Horst Reinhard, Christian Förster, Rolf Greiner, Georg Schalling, Martin Sielaff und Willy Zintner in unser damaliges Vereinslokal „Frankfurter Hof“ nicht nur zu einem Gedankenaustausch einladen. Von unserem Würzburger Verein waren von der Vorstandschaft die Mitglieder Günter Schäfer, Fred Deutloff , Peter Loibl und Walter Gabriel zugegen. In freundschaftlicher Atmosphäre wurde gegenseitig aus dem Sammler- und Vereinsleben in den trennenden Jahren erzählt, aber auch erste Vorstellungen hinsichtlich partnerschaftlicher Beziehungen wurden entwickelt. Voller Optimismus boten uns die neu gewonnenen Freunde aus Suhl an, uns bei den Auf- und Abbauarbeiten unserer immer näher kommenden TRILATERALE WÜBA ’91 zu helfen. Außerdem zogen sie eine gemeinsame „Freundschaftsausstellung“ in Betracht, die in Suhl stattfinden sollte, wobei sie aber gleichzeitig noch eine Reihe offener Fragen aufwarfen. Es war ja politisches Neuland, in dem wir uns bewegten. Dennoch war Optimismus angesagt, und es schien, als wollten alle die Gunst der Stunde nutzen und Neues wagen. Nachdem unsere Besucher aus Suhl die Nacht im Kolpinghaus verbracht hatten, trafen wir uns – diesmal Günter Albeck, Peter Loibl und meine Wenigkeit – am Sonntagvormittag zu einem weiteren Stadtrundgang, der allerdings wegen ungünstiger Witterung bald in eine Gaststätte führte, ganz im Sinne unserer gemeinsamen Zukunftsplanungen. Die Sammlerfreunde aus Suhl vermachten unserer Vereinsbibliothek zwei interessante philatelistische Werke: Fritz Steinwasser, „Berliner Post“, und Manfred Stephan, „Zahlreiche Kasten sieht man hängen“. Wir durften ihnen als Symbol unserer Verbundenheit jeweils unsere Vereinskrawatte überreichen.
Schon vier Wochen später, am Sonntag, dem 14.1.90, befanden wir uns anlässlich des ersten „Würzburg-Tages“ auf Einladung zum Gegenbesuch in Suhl. In der Partnerstadt wurden wir, Günter und Brigitte Albeck, Peter und Gabi Loibl, Fred Deutloff, Dr. Franz Schicklberger, Heinz Schunke und Walter Gabriel, am Stadthaus freundschaftlich empfangen und danach den ganzen Tag über liebevoll betreut und bewirtet. Beladen mit vielerlei neuen Ideen und Zukunftsplänen, traten wir am Abend die Heimreise an.
Als wir am Sonntag, dem 8.4.90, unsere 10. Würzburger Briefmarkenbörse durchführten, durften wir auch erstmals unsere Sammlerfreunde aus Suhl begrüßen, die mit Bus zur damaligen Carl-Diem-Halle gekommen waren.
Die „Wende“ – wie man später sagte – führte nach Änderung der Rechtslage auch dazu, dass bereits am 23.6.90 die Briefmarkensammler in Suhl ihren „Briefmarkensammlerverein Suhl (Thür.) von 1927 e.V.“ wieder aufleben lassen konnten. Auf Einladung war auch unser Verein bei diesem traditionsrelevanten Ereignis vertreten. Herr Günter Albeck, 2. Vorsitzender, überbrachte in Begleitung seiner Frau Brigitte Albeck und Herrn German Weisensel, beide ebenfalls Vereinsmitglieder, beste Wünsche seitens des Vereins für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880 e.V. für eine stets positive Entwicklung des wieder aufgelebten Vereins. Aus der Arbeitsgemeinschaft Suhl des Philatelistenverbandes im Kulturbund der DDR war wieder ein Verein geworden, der an seine frühere Tradition anknüpft. Mit der gleichzeitig gewählten Vorstandschaft, Herrn Horst Bernard als 1. Vorsitzenden und Herrn Horst Reinhard als 2. Vorsitzenden, wussten wir uns einig zum weiteren Ausbau unserer partnerschaftlichen Beziehungen. Seitens unseres Vereins überbrachte Herr Albeck der neuen Vorstandschaft nicht nur Glückwünsche, sondern überreichte für die Vereinsbibliothek zum Gebrauch aller Mitglieder ein aktuelles philatelistisches Lexikon. Satzung, Bibliotheksverzeichnis, diverse Rundschreiben unseres Vereins u. a. waren wunschgemäß bereits früher übergeben worden.
Gleichzeitig war der Briefmarkensammlerverein Suhl Nord gegründet worden, zu dem wir natürlich ebenfalls freundschaftliche Beziehungen pflegen.
Als wir in Würzburg am 17.11.1990 das 110-jährige Bestehen unseres Vereins in der Scherenberg-Hofstube auf der Festung Marienberg mit mehr als 200 Gästen feierten, darunter BDPh-Präsident Dr. Heinz Jaeger, Lörrach, BDPh-Vizepräsident und 2. Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Philatelisten-Vereine e.V., Michael Adler, Forchheim, unserem Vereinsmitglied, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Bayerischer Philatelisten-Vereine e.V., Herrn Bertold Schumacher, und weiteren Persönlichkeiten aus Politik und organisierter Philatelie, konnten wir erfreulicherweise auch die Herren Horst Bernard, Horst Reinhard und Willy Zintner aus Suhl unter den Gästen herzlich begrüßen. In diesem feierlichen Rahmen durften wir aus der Hand von Herrn Bernard eine von Herrn Willy Zintner kunstvoll gestaltete Urkunde (s. vorstehende Abb.) zu unserem Vereinsjubiläum entgegennehmen. Im Gegenzug erhielt Herr Bernard in Anerkennung seiner vielfältigen Bemühungen die Verdienst- und Ehrennadel unseres Vereins für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880 e.V. in Bronze.
Es war uns natürlich eine große Freude, dass wir unsere Sammlerfreunde aus Suhl auch zu der von uns in der Zeit vom 9. – 12.5.91 ausgerichteten TRILATERALE WÜBA ’91, einer Rang-1-Ausstellung für die Philatelistenverbände Österreichs, der Schweiz und Deutschlands, begrüßen durften. Sie waren wiederum mit Bus in Würzburg angereist. Und wir durften uns für die tatkräftige Unterstützung bei dieser arbeitsintensiven TRILATERALE WÜBA ’91 bei den Herren Rudolf Greiner und Werner Raab mit der von unserem Verein geschaffenen Mitarbeitermedaille in Gold, bei Willy Zintner in Silber sowie Horst Bernard, Matthias Reichel, Horst Reinhard und Georg Schalling in Bronze bedanken. Dabei hätte am Beginn unserer Vorbereitungen für diese TRILATERALE WÜBA ’91 niemand auch nur im Traum daran gedacht, dass wir einmal mit den Suhler Philatelisten partnerschaftlich verbunden sein würden und diese unsere Rang-1-Ausstellung würden besuchen können! Es war ein beglückendes Erlebnis!
Im Jahr darauf richteten unsere Suhler Freunde die bereits beim ersten Zusammentreffen ins Auge gefasste Freundschaftsausstellung Suhl/Würzburg aus. Die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung im Haus der Philharmonie hatte der Oberbürgermeister der Stadt Suhl, Herr Dr. Martin Kummer, übernommen. Am dritten Jahrestag der Deutschen Einheit, Samstag, dem 3.10.92, boten Philatelisten aus Suhl und Würzburg in 64 Rahmen mit je 16 Sammlungsblättern umfangreich Einblick in das faszinierende Hobby Philatelie. Die beteiligten Aussteller durften einen bemalten Porzellanteller zur Erinnerung mit nach Hause nehmen.
Um die Verbundenheit unserer Vereine in Suhl und in Würzburg zu untermauern, sind zum 1.1.1993 Horst Bernard dem Verein für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880 e.V. sowie Manfred Wolfenstetter und Walter Gabriel dem Briefmarkensammlerverein Suhl (Thür.) von 1927 e.V. beigetreten.
Im gleichen Jahr durften wir uns ebenfalls mit einer Partnerschaftsausstellung revanchieren und unsere Sammlerfreunde aus Suhl nach Würzburg einladen. Am 26.9.93 wurden im Foyer des Würzburger Stadttheaters den Besuchern in 80 qm-großen Rahmen 20 Exponate von Mitgliedern der Partnervereine präsentiert, darunter mehrfach bei Wettbewerbsausstellungen prämierte Sammlungen. Herausragend eine Sammlung „Kirchenstaat“ unseres Mitglieds Hermann Wütschner, die bei der Weltausstellung in Auckland/ Neuseeland mit Großer Goldmedaille und Ehrenpreis prämiert worden war. Das von unserem Verein aufgelegte Schmuckkuvert zeigt eine speziell hierzu von dem Künstler Walter Kalms gestaltete Bildkomposition des Dianabrunnens in Suhl mit dem Frankoniabrunnen in Würzburg. Die Deutsche Bundespost führte gleichzeitig einen von unserem Verein gestalteten Sonderstempel, der die Signets der Partnervereine zeigt: Ein bleibender philatelistischer Erinnerungsbeleg.
Das in Kreide gemalte Originalbild durfte ich Herrn Horst Bernard anlässlich des Festabends am 2.10.1999 im Rahmen einer Rang-3-Jugend-Briefmarkenausstellung in Suhl überreichen. Der Verein für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880 e.V. bedankte sich auf diese Weise bei seinem Mitglied für die umfangreichen Bemühungen des weiteren Ausbaus der Verbindung unserer Briefmarkensammlervereine in den Partnerstädten Würzburg und Suhl.
Schmuckbrief mit Sondermarke „Hohe Röhn“ und Sonderstempel zur Partnerschaftsausstellung.
In der Folge wuchs das gegenseitige Verständnis, entwickelte sich unser gewünschtes Zusammenwirken. Die Vereine sind nicht nur Partner, sondern sind sich freundschaftlich verbunden. Und dies soll auch in Zukunft so bleiben! In diesem Sinne haben sich Würzburger Vereinsmitglieder selbstverständlich wieder bereit erklärt, an der Ausstellung zum „Tag der Briefmarke 2006“ in der Offenen Klasse unter dem Motto „Partner in Europa“ teilzunehmen.
Aus: Würzburger Vereinschronik 1880 – 2005.